Grußwort

Bildrechte beim Autor

Lieber Leser, liebe Leserin,

die kommenden acht Wochen sind für uns Christen geprägt von dem festen Glauben, dass Jesus seinen Leidensweg gehen musste, um letztlich aufzuerstehen. So steht es jedenfalls geschrieben. Doch nie wird genau erklärt, warum das so sein musste. Geht es nur darum, damit in Erfüllung geht, was die Propheten geschrieben haben?

Die Passion Jesu also ein abgekartetes Spiel. Ist Gott dann doch derjenige, der die Menschen dirigiert und macht, was er will? Sollen wir das einfach hinnehmen?

Haben das Leiden und der Tod Jesu Sinn? Hätte Gott nicht doch das Leid verhindern können? Ein Gott, der in das Leiden der Kreuzigung aktiv eingegriffen hätte, wäre sicher absolut spektakulär gewesen. Ebenso ein Jesus, der vom Kreuz herabsteigt. Da hätte es die Grausamkeit des Sterbens und des Todes gar nicht gebraucht. Wäre nicht ohne die Grausamkeiten von Karfreitag, quasi durch ein Wunder, die Macht Gottes vielleicht sogar stärker hervorgetreten?

Nur wenn man darüber nachdenkt und nach einer Antwort sucht, versteht man einen gewissen Sinn dahinter.   Man stelle sich vor, Gott hätte in den Prozess, den man Jesus machte, eingegriffen. Man stelle sich vor, Gott hätte verhindert, dass sein Sohn so leiden muss.

Dann wäre er zu dem König geworden, wie ihn sich Menschen vorstellen. Der Retter, geboren im Stall, dann als Kind auf der Flucht und zum Schluss hingerichtet als Schwerverbrecher, das ist streng genommen eine Zumutung für unsere Vorstellung von einem starken Helden.

Doch diese Zumutung ist das Besondere an unserem, dem dreieinen Gott.  Jesus musste leiden und auferstehen, denn hätte er nicht gelitten, dann wäre unser Glaube eine Hollywoodinszenierung, mit Happy End.   Doch das ist der Glaube an den einen Gott eben gerade nicht. Das gute Ende kommt zwar in der Auferstehung von den Toten, doch vorher wird die Unmenschlichkeit und Fehlerhaftigkeit von uns Menschen in absoluter Deutlichkeit aufgezeigt. Ohne Wenn und Aber.   Wir Menschen sind oft unbarmherzig, wenn über die Nächstenliebe gepredigt wird.

Wir Menschen sind oft unmenschlich, weil sie sich nicht auf den Willen Gottes einlassen wollen, sondern die eigene Macht höher einschätzen, als die Barmherzigkeit Gottes.

Letztlich wollen wir Menschen doch alle auf der Seite des Siegers stehen und nicht auf der Seite eines Königs der im Stall geboren wurde und als gesellschaftlicher Verlierer endet. Das erleben wir Tag für Tag. Doch Gott hält durch das Leben und Leiden Jesus und letztlich durch seine Auferstehung dagegen.

Jesus musste leiden und auferstehen, dass wir erkennen: Gott hat andere Maßstäbe. Seine Maßstäbe stellen unser Leben auf den Kopf. Unser König ist kein Siegertyp und unser Gott verhindert nicht einfach die Folgen unserer menschlichen Handlungen.

Jesus musste leiden und auferstehen, damit wir einsehen, wie sehr wir die Vergebung der Sünden brauchen, wie nötig wir die Gnade Gottes haben.

„Gott sei mir Sünder gnädig“, das ist die Bitte, die wir nötiger denn je haben, wenn wir zulassen, dass man Jesus und seine Predigten immer wieder neu kreuzigt und verwirft, weil sie uns zu unbequem sind.

Jesus musste leiden und auferstehen, damit wir begreifen, dass unmenschliche Tragödien menschlich sind, aber bei aller Grausamkeit letztlich doch von Gott begleitet werden. Er begleitet die Leidenden und Sterbenden und er vergibt denen, die ihre Schuld erkennen.

In diesem Sinne mögen wir alle in der vor uns liegenden Passions- und Osterzeit unsere eigene Schuld erkennen und spüren wie nötig wir Gottes liebende Barmherzigkeit haben, um selbst immer wieder den Versuch zu machen nach seinem Willen zu leben und damit anders als die Siegertypen in unserer Welt.
In diesem Sinne eine gute Zeit

Ihre Pfarrerin Anne Salzbrenner